Presse

"Ein Künstler mit Mut zum Risiko"

von Brigitte Roßbeck
in der Süddeutschen Zeitung - SZ Nr. 282 vom 06.12.1996

Der Bildhauer zeichnet sich gleichermassen durch Freude am Gestalten wie Experimentieren aus

Iffeldorf - Die extravagante Ausstattung des Meditationszentrums im neuen Penzberger Pfarrzentrum stammt ebenso von seiner Hand wie zwei Brunnenfiguren seines Wohnortes. Erich Zimmer gestaltet Baumstämme mit einer Kettensäge um, zu bizarren, gen Himmel ragenden Gestalten; er schafft Porträtbüsten, auch Gartenskulpturen aus Stein und Beton, entwirft ungewöhnliche Grabstelen, baut gotisches Chorgestühl originalgetreu nach, fertigt exakte Kopien historischer Bildschnitzerarbeiten. Auf die in der Werkstatt aufgestellte Staffelei sind Papierbögen geheftet, Entwürfe: eine Sonnenuhr, der Kreislauf des Wassers, eine avantgardistisch anmutende Gruppe von Stelzengehern, ein kompletter Kreuzweg.

Sinnbildliche AussagenErich Zimmer 1996
"Freude am Gestalten, am Experimentieren, durch karikierende Charakterdarstellungen belustigen, zum Nachdenken anregen, sinnbildliche Aussagen oder Geschichten erzählen, das ist meine Sache", sagt dazu deren Schöpfer. Was einen guten Bildhauer ausmacht? Neben dem Handwerklichen? "Gute Beobachtungsgabe und ein ausgeprägtes visuelles Gedächtnis." An den Wänden des hellen Ateliers hängen fein säuberlich aufgereihte Schnitzmesser - an die dreihundert. Und wenn er irgendwo etwas Absonderliches entdecke, sagt der Vierunddreißigjährige, dann ergänze er seine ohnehin umfangreiche Kollektion.

Intime Innigkeit
Es ist auch schon vorgekommen, dass er sich für besonders ausgefallene Aufträge ein vollständig neues Werkzeugsortiment zugelegt hat. Solche Herausforderungen, das sieht man ihm während des lebhaft geführten Gespräches direkt an, sind ganz nach seinem Geschmack: Den so viel intime Innigkeit ausstrahlenden Maria-Josef-und-das-Kind-Block beispielsweise - Figuren, denen dennoch jede kitschig-süßliche Ausstrahlung verwehrt wurde - gibt es aus Holz geschnitzt, in Bronze gegossen und in Ton modelliert.
Die meisten Käufer, bedauert der Bildhauermeister allerdings, richteten ihr Augenmerk leider von vornherein auf billige Massenware, auf von Anfang bis Ende maschinengefräste Produkte. Das bezieht sich auch, wenn nicht sogar ganz besonders, auf Krippenfiguren, solche nämlich, die das kunsthandwerkliche Etikett eigentlich gar nicht mehr verdienten.

Die individuelle Handschrift
Aber derartiges kommt Erich Zimmer sowieso nicht über die Schwelle seines am Moosweg im Iffeldorfer Ortsteil Staltach eingerichteten Ausstellungsraums. Interessenten mit etwas "gehobenerem Anspruch" erwerben von ihm aus vorbereiteten Rohlingen per Hand überarbeitete Plastiken. Am liebsten aber, und daraus macht der Künstler gar kein Hehl, kreiere er "echte Zimmer", um seinem Wunsch nach "freiem Gestalten und der individuellen prägenden Handschrift" Rechnung tragen zu können.

Begrenzte Stückzahl
"Limitierte Auflagen" mit Zertifikat sind da eine dem Künstler und den Erwerbern entgegenkommende Lösung.
Zur Begrüssung muss sich Erich Zimmer rasch die Späne aus der Kleidung klopfen, denn aus einem einzigen in den Schnitzblock eingespannten Stück Zirbelholz lässt er gerade eine dichtgedrängt vorwärtsstrebende Schafherde entstehen. Der Auftraggeber dieses Unikats besitzt bereits die dazugehörige Heilige Familie nebst Hirten. Bis Weihnachten muss die Plastik fertiggestellt sein. Ein vergleichsweise kurze Zeitspanne.
Doch im Sommer, sagt Zimmer, dessen jeweilige Stimmungen ohnehin häufig in den Werken Ausdruck finden, "ist mir irgendwie noch nicht nach Krippen".  Aber gerade für Krippenfigurenbestellungen gibt es alljährlich eine ganz bestimmte Saison: Entweder fällt, wenn der Bestand im November oder Dezember aus seinen Kisten geholt und gesichtet wird, plötzlich auf, dass "noch irgend etwas abgeht" oder ein während der Weihnachtsfeiertage empfundener "Mangel" mündet in Aufträge gleich zu Beginn des neuen Jahres.

Ein Novum
An einen vorweihnachtlichen Krippenauftrag kann sich Zimmer sehr genau erinnern, der stellte ihn nämlich vor besondere Probleme. Eine traditionelle Krippe war zu ergänzen. Zum mit kaschierter Kleidung ausgestatteten Ensemble sollten sich noch die Heiligen Drei Könige gesellen. Das war für ihn ein Novum, und das hiess: Jeder Körper musste als Akt geschnitzt werden, auf den Schicht für Schicht, zuvor in ein Gemisch aus Kreide und Knochenleim getauchter Stoff drapiert werden musste. Bevor der erstarrte, galt es, Falten zu zupfen, Ärmel zu formen. "Wie ein Schneider bin ich mir vorgekommen."
Und der Bildhauer musste sich auch mit der gleichfalls komplizierten Technik des schichtweisen Bemalens vertraut machen. "In manche Ecke wäre ich nachher mit dem Pinsel gar nicht mehr hineingekommen." Kein Wunder, dass ihm all das erst nach mehrfachem Probieren zufriedenstellend gelang. Ein Zeitaufwand, der sich natürlich niemals in barer Münze auszahlen kann. Bei der Herstellung dieser Figuren hätte er, berichtet Zimmer, "unheimlich viel gelernt", sich aber auch die Nächte um die Ohren geschlagen, und damals hätte es in seiner ehemaligen kleine Penzberger Wohnung, sehr zum Leidwesen seiner Frau, wirklich kräftig gestunken.

Notwendige Kompromisse
Er bewundere Künstlerkollegen, sagt der junge Bildhauermeister, die nicht bereit seien, vom selbstgewählten Konzept abzuweichen und notfalls auch Kunden verprellten. Er hingegen suche stets durch Absprache einen "gemeinsam gangbaren Weg zu finden". Das ist sicher nicht immer einfach. Sein persönliches Anliegen dabei sind Abstand von Klischees und anspruchsvolle Umsetzungen mit Blickrichtung auf Abstraktion und Moderne. Sein Ziel bei Krippenfigurengruppen: dass sie ganzjährig aufgestellt werden können.
Bei einer seiner Krippenvisionen, einem Motiv, das mittelalterliche Maler berühmt gemacht hat, stiess der Künstler jedoch bislang auf wenig Gegenliebe. Seine gerade ihr Kind stillende Muttergottes bildet nun - als Entschädigung gewissermassen - im Haus des unterdessen zweifachen Vaters den Mittelpunkt der familieneigenen Weihnachtsinszenierung.

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“Ein Bildhauer muss sich jedem Thema stellen”
von  Petra Schneider

erschienen in der Süddeutsche Zeitung SZ Nr. 252 vom 30./31.10./01.11.2010

 

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